Dass Bewegung wichtig ist, wissen wir alle. Nicht umsonst setzen die SPORTUNION Oberösterreich und ihre 750 Vereine sich tagtäglich dafür ein. Erst kürzlich bewies eine publizierte Studie wieder, wie wichtig. Ein Mangel an körperlicher Bewegung hat nämlich nicht nur negative Folgen für die körperliche Fitness und Gesundheit, sondern auch für die kognitive.
Wenn es um die Vorteile von Bewegung geht, dann denken viele sofort an die verbesserte körperliche Fitness, die Vorbeugung von physischen Leiden und Krankheiten wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes, Gewichtsregulation und Stressabbau. Eine Studie der Johannes Kepler Universität Linz unter der Leitung von Dr. Manuela Macedonia belegte nun, dass Bewegungsmangel auch zur Verringerung kognitiver Leistungen führen kann. Das Hauptziel der Studie war herauszufinden, ob sich der Bewegungsmangel während und nach den Lockdowns auf die kognitive Leistungsfähigkeit, nämlich das Gedächtnis und auf die Aufmerksamkeit, junger Erwachsenen auswirkt. Dafür nahmen 318 junge Erwachsene aus Österreich, Deutschland, Italien und dem Iran an der Studie teil.
Zentrale Fragestellungen der Studie
Die Studie hat untersucht, ob sich die Bewegungs- bzw. Sportgewohnheiten während und nach den COVID-19-Lockdowns verändert haben und wie diese Veränderung mit der kognitiven Leistungsfähigkeit zusammengehängt. Insbesondere analysierte man hierbei die Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit und das Arbeits- und Kurzzeitgedächtnis. Parallel berücksichtigte man ebenfalls, wie sich pandemiebedingter Stress und Schlafstörungen individuell auswirkten.
Dr. Manuela Macedonia über die aufgestellten Hypothesen vor der Studiendurchführung
»Wir haben vermutet, dass weniger Sport und Bewegung während der Lockdowns zu schlechteren kognitiven Leistungen führen, vor allem bei Aufgaben, bei denen man sich konzentrieren und Informationen im Gedächtnis behalten muss. Umgekehrt sind wir davon ausgegangen, dass sich nach dem Lockdown die kognitiven Fähigkeiten verbessern, wenn sich die Studienteilnehmer:innen wieder mehr bewegen.«
Welche zentralen Erkenntnisse lieferte die Studie?
Die Studie zeigt, dass sich die Probanden und Probandinnen während der Lockdowns bedeutend weniger sportlich betätigten. Je weniger Bewegung, desto schlechtere Ergebnisse erzielten sie bei den Aufmerksamkeits- und Kurzzeitgedächtnistests. Umgekehrt ging ein Anstieg der körperlichen Aktivität nach den Lockdowns mit besseren Ergebnissen bei diesen Aufgaben einher. Die Studie zeigte insgesamt, wie wichtig es ist, sich körperlich zu betätigen, damit die Gehirnleistung nicht nachlässt. Auch pandemiebedingter Stress und Schlaflosigkeit wirkten sich negativ auf Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit aus, was darauf hindeutet, dass diese Faktoren neben körperlicher Aktivität eine wichtige Rolle gespielt haben.
Welche gesundheitlichen und kognitiven Auswirkungen können durch Bewegungsmangel entstehen?
Bewegungsmangel kann eine Reihe von negativen Auswirkungen mit sich bringen, die sowohl die körperliche als auch die psychische Gesundheit und Funktionen wie Gedächtnis und Aufmerksamkeit sowie die kognitive Kontrolle betreffen.
Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit: Der Bewegungsmangel während der Lockdowns wurde mit negativen Folgen für die körperliche Gesundheit in Verbindung gebracht, mitunter Veränderungen des Körpergewichts. Dies kann zu einem erhöhten Risiko von Adipositas und damit verbundenen Gesundheitsproblemen führen.
Auswirkungen auf die psychische Gesundheit: Eine verminderte körperliche Aktivität ist auch mit psychischen Problemen verbunden.
Gedächtnis und Aufmerksamkeit: Die Studie legt nahe, dass eine Verringerung der körperlichen Aktivität kognitive Funktionen wie Gedächtnis und Aufmerksamkeit negativ beeinflussen kann. Das Arbeitsgedächtnis, das für Multitasking und Problemlösung von entscheidender Bedeutung ist, ist besonders betroffen.
Kognitive Kontrolle: Die Studie deutet darauf hin, dass die kognitive Kontrolle, die für die Entscheidungsfindung und die Erledigung von Aufgaben unerlässlich ist, durch verringerte körperliche Aktivität ebenfalls beeinträchtigt wird.
Wie viel Bewegung ist wöchentlich notwendig, um den negativen Effekt von Bewegungsmangel auf die kognitive Leistung zu verhindern?
»Dies ist schwer mit einer Zahl zu beantworten. Ich empfehle immer 10.000 Schritte am Tag, Kinder sollten sich sogar noch mehr bewegen und auch richtig ins Schwitzen kommen.«, so Dr. Macedonia.
Worauf ist der positive Effekt von Bewegung zurückzuführen?
Man weiß, dass Sport die Ausschüttung von Nervenwachstumsfaktoren beeinflusst, die eine wichtige Rolle für die Gesundheit des Gehirns spielen. Nervenwachstumsfaktoren sorgen dafür, dass Nervenzellen überleben, wachsen und sich entwickeln und tragen dazu bei, dass neue Synapsen entstehen. Dieser biologische Prozess kann erklären, warum körperliche Aktivität die Gedächtnis- und kognitiven Funktionen verbessert. Nervenwachstumsfaktoren unterstützen auch die Neuroplastizität, insbesondere was die Funktion und Struktur des Hippocampus angeht. Das ist wichtig, weil der Hippocampus an der Gedächtnisbildung und räumlichen Orientierung beteiligt ist.
Bewegung kann außerdem dabei helfen, pandemiebedingten Stress zu reduzieren und die Schlafqualität zu verbessern. Das führt zu besseren kognitiven Ergebnissen, denn Stress und Schlaflosigkeit wurden als zwei Faktoren identifiziert, die die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können. Das wiederum zeigt, wie wichtig körperliche Aktivität für die psychische Gesundheit ist. Auch auf die Aufmerksamkeit und Konzentration wirkt sich körperliche Fitness positiv aus. Das ist besonders bei Teenagern zu beobachten. Hier verbessert sich die Aufmerksamkeitsleistung bei regelmäßiger Bewegung.
Inwieweit sind die kognitiven Auswirkungen von Bewegungsmangel reversibel, wenn die körperliche Aktivität nach einer Phase der Inaktivität wieder gesteigert wird?
»Das hängt von der Dauer des Bewegungsmangels und dem Alter der Person ab. Hier wären weitere Experimente notwendig, um dies genau zu untersuchen.«,, so Dr. Macedonia. »Allerdings kann man beruhigt sagen, dass Bewegung immer zu einer Verbesserung führt. Wir haben es bei der Studie gesehen. Jene Menschen, die sich nach den Lockdowns wieder sportlich betätigt haben, waren jene, die bei den Tests am besten abgeschnitten haben. Die Empfehlung lautet daher: Bewegung so oft wie möglich in jedem Alter!«
Über Dr. Manuela Macedonia
Dr. Macedonia, ursprünglich aus Italien und seit 2012 am Institut für Information Engineering der Johannes Kepler Universität Linz als Senior Scientist tätig, befasst sich intensiv mit Neuroinformationssystemen. Die Neurowissenschaftlerin forschte nach ihrem Doktoratsstudium in Kognitionspsychologie und Angewandter Linguistik unter anderem am renommierten Max-Planck-Institut in Leipzig. Als Vertreterin des Embodiment geht sie von einem starken Zusammenhang zwischen Körper und Geist aus. Sie ist Autorin mehrerer überaus erfolgreicher Sachbücher.
Welche positiven Auswirkungen regelmäßige Bewegung auf unser Gehirn hat – dabei muss es noch nicht einmal Hochleistungssport sein – erzählt die Neurowissenschafterin Dr. Manuela Macedonia leichtfüßig, verständlich und mit einer Prise Humor.
Dr. Macedonia begleitet uns Tag für Tag durch das ganze Jahr und motiviert uns, endlich in Schwung zu kommen: Zwölf Monate und zwölf Gründe, um unsere Komfortzone – das Sofa! – zu verlassen und regelmäßig Bewegung zu machen.
Macedonias 5 Säulen des Gehirnwellness sind: ausreichender Schlaf, Bewegung, gute Ernährung, soziale Beziehungen und Spiritualität.