Mit dem innovativen Projekt „Willkommen im Club“ setzt die SPORTUNION ein klares Zeichen für mehr Chancengleichheit im Sport. Was (Vereins-)Sport für das Leben und die Entwicklung eines Kindes bedeuten kann, weiß kaum jemand besser als Andreas Onea. Österreichs erfolgreichster Para-Schwimmer unterstützt aktiv “Willkommen im Club”, möchte die Inklusion von Menschen mit Behinderung voranbringen und aufzeigen, dass alles möglich ist. Im Interview mit der SPORTUNION erzählt er, weshalb Sport für alle zugänglich sein sollte, berichtet über seine persönliche Geschichte und seine Vision für mehr Inklusion und teilt seine Gedanken zur Rolle des Sports in der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen.
Du hast eine beeindruckende Karriere im Paraschwimmen hinter dir …
(lacht) … ich hoffe doch, dass ich die Karriere nicht hinter mir, sondern noch vor mir habe. Ich habe ja noch ein paar Jährchen im Sport geplant, die ich sehr intensiv und effektiv nutzen möchte.
Was hat dich damals zum Sport gebracht, und welche Rolle hat er in deiner Kindheit gespielt?
Sport war für mich als Kind wahnsinnig wichtig. Ich habe aber erst nach meinem Autounfall (1998; Anm.), bei dem ich den linken Arm verloren habe, regelmäßig mit Sport begonnen. Davor waren wir vielleicht einmal das eine oder andere Mal im Park – mit regelmäßigen Sport hatte das bis dahin aber nichts zu tun.
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Welche Hürden musstest du auf deinem Weg überwinden?
Meine Eltern kommen aus dem kommunistischen Rumänien – Sport und Bewegungen hatte hier keine allzu große Rolle gespielt. Vereinsleben oder Ähnliches hatte man überhaupt nicht gekannt. Da gab es nur: Im Kollektiv arbeiten. Ich hatte zu Sport und Bewegung also keine Berührungspunkte. Nach meinem Unfall stand ich dann aber auf einmal mit einer Behinderung da. Meine Eltern haben sich dann gedacht: Irgendetwas Sinnvolles muss der Kleine jetzt machen, bei dem er sieht, dass er Fähigkeiten und Talente hat. Der Vorschlag der Therapeuten war: Schickt ihn zum Sport! Er muss ja sowieso erlernen, seinen Körper einarmig zu bewegen. Schwimmen war dafür quasi eine aufgelegte Geschichte, weil das Wasser den Körper aufgrund des Auftriebs gut trägt.
Andreas Onea im WordRap
Der Spaß an der Bewegung, das ist das, was uns verbindet. Ich hab’ als Kind sehr rasch gemerkt: Hey, ich gehöre hier dazu! Und: Ich kann etwas!
Konntest du vor deinem Unfall schon schwimmen?
Nein. Ich habe Schwimmen erst im Lauf der Therapie erlernt. Der große Vorteil ist: Das Element Wasser hilft sehr gut dabei, sich mit einer Behinderung durch’s Wasser zu bewegen. Das war für mich in diesen jungen Kinderjahren sehr wichtig, weil ich gesehen und gespürt habe: Ich kann etwas! Und vor allem: Ich konnte schnell etwas erlernen, das mir in meiner Entwicklung sehr gut geholfen hat.
Die Reihenfolge war also: Zuerst Reha, dann der Sport im Verein?
Richtig. In der Reha wurde mir gesagt: Es würde Sinn machen, wenn du nicht nur einmal im Jahr im Wasser deine Schwimmübungen machst, sondern regelmäßig. Es gab im Reha-Zentrum in Klosterneuburg einen Behindertensportverein (BSV Weißer Hof; Anm.). Dort konnte ich einmal pro Woche zweimal trainieren. Irgendwann war das dann aber zu wenig. Ich war da nämlich schon bei Wettkämpfen dabei und hatte schon erste Erfolge. Die Verantwortliche im Schwimmreferat des Behindertensportverbandes hat dann gesagt: “Du müsstest öfter trainieren! Dein Verein hat diese Möglichkeiten aber nicht. Ich kenne aber einen Nicht-Behindertensportverein (Schwimm-Union Wien; Anm.), der schon Menschen mit Behinderung aufgenommen hat. Es ist sicher kein Problem, wenn du dort auch mitschwimmst.” Und genauso war es dann auch!
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Wer waren damals die Personen, die dich am meisten unterstützt haben?
Als Erster fällt mir hier Otto Klenner (Obmann bei Schwimm-Union Wien; Anm.) ein, der gesagt hat: Es ist überhaupt kein Problem, wenn du jetzt auch bei uns mitschwimmst. Es ist doch vollkommen egal, wenn einem Kind ein Arm fehlt. Wenn du schwimmen willst, dann komm’ doch ganz einfach zu uns. So hab’ ich den Weg in den Nicht-Behindertensport gefunden. Otto hat mir hier eine große Türe aufgemacht, indem der Verein meine Karriere sehr intensiv, auch finanziell, unterstützt hat. Wir waren eine Einwandererfamilie in Österreich. Mein Vater war nach dem Autounfall arbeitslos, wir hätten uns das Schwimmen im Verein zu diesem Zeitpunkt also kaum leisten können.
Glaubst du, dass Sport für Kinder und Jugendliche eine besondere Bedeutung hat – über das Körperliche hinaus?
Ja. Ich wäre nicht der Mensch, der ich jetzt bin, wäre ich nicht so früh einer Leidenschaft nachgegangen. Ich habe relativ rasch gecheckt: Mir fehlt zwar ein Arm – ich kann aber genauso mit den anderen mitschwimmen. Es sind oft nicht nur die finanziellen Hürden. Es ist oft auch die Barriere, dass man sich traut und den Schritt macht: Ich will hier (im Verein; Anm.) aufgenommen werden und gemeinsam mit den anderen Kindern und Jugendlichen Spaß haben. Ich konnte im eigenen Leben erleben: Da gab es auf einmal Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, die gesagt haben: Es ist doch vollkommen egal, ob dir ein Arm fehlt, ob du Rumäne bist, ob du wenig Einkommen hast. Dir taugt das Schwimmen, und das ist das, was uns miteinander verbindet.
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Viele Kinder aus wirtschaftlich schwächeren Familien haben es schwer, Zugang zu Sportangeboten zu bekommen. Wie wichtig ist es deiner Meinung nach, dass solche Kinder gefördert werden?
Das ist enorm wichtig! Hier beim Sport Berührungspunkte zu haben, miteinander etwas zu machen und zu sehen Ich werde nicht kategorisiert. Ich bin nicht nur mit Menschen mit Behinderung unterwegs. Ich bin nicht nur mit Ausländern unterwegs. Ich bin nicht nur mit Menschen aus Familien mit wenig Einkommen unterwegs. Nur darum geht es doch beim Sport: Der Spaß an der Bewegung, das ist das, was uns verbindet. Ich hab’ als Kind sehr rasch gemerkt: Hey, ich gehöre hier dazu!
Gibt es in deiner Karriere oder deinem Umfeld ein Beispiel, das zeigt, wie Sport das Leben eines Kindes oder Jugendlichen positiv verändert hat?
(lächelt) Ich bin quasi die lebendige Antwort auf diese Frage. Ich habe seinerzeit relativ rasch gemerkt: Die Welt da draußen ist nicht wirklich bereit für mich als Mensch mit Behinderung. Und im Sport habe ich gesehen: Ich habe Erfolg, breche Rekorde, gewinne Medaillen. Offensichtlich kann ich etwas! Das hat mir und meinem Selbstvertrauen wahnsinnig geholfen. Während andere sich über mich lustig gemacht haben, hatte ich die Balance im Sport: Ich kann etwas aufgrund meiner Fähigkeiten und nicht wegen meiner Defizite!
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Wärst du heute in der Situation, in der du 1998 nach deinem Autounfall warst, wäre das Projekt “Willkommen im Club” möglicherweise genau der richtige Andockpunkt, um dir den Zugang zu Sportvereinen ermöglichen.
Absolut! Ich hatte damals das große Glück, dass es Menschen in meinem Umfeld gab, die gesagt haben: Dieser Sport ist gut für dich! Mach’ das! Deshalb ist es heute enorm wichtig, dass es niederschwelligen Zugang zum Sport und zu Vereinen – wie z. B. durch “Willkommen im Club” – gibt. Dass Menschen davon erfahren, mich als Beispiel sehen und sagen: Hey, schau’ mal, was herauskommen kann, wenn ein Kind mit viel Selbstvertrauen und viel Glauben an sich selbst – unabhängig von den individuellen Umständen – durch’s Leben geht. Es muss nicht jeder gleich zum Spitzensportler werden. Aber, das was ich durch den Sport in’s Leben mitgenommen habe, das wünsche ich auch jedem anderen Menschen in Österreich und auf der ganzen Welt.