Sportsgeist
Der sportliche Blog mit Tiefgang.
Sportlerinnen und Sportler haben mitunter sehr Geistreiches zu sagen und können von Erfahrungen erzählen, die auch für andere Bereiche des Lebens sehr wertvoll sein können.
Aktuelle Aussagen von Menschen aus der Welt des Sports oder eigene Beobachtungen und Erlebnisse, die für die Spiritualität und den Glauben relevant sind, vertieft Alfred Jokesch in diesem Blog und verknüpft sie pointiert mit dem alltäglichen Leben.
Der Sport ist eine große Schule für das Leben.
Papst Franziskus
Alfred Jokesch
alfred.jokesch@graz-seckau.at
Um sich auf eine neue Saison, den Meisterschaftsbeginn oder einen besonderen Wettkampf vorzubereiten, absolvieren Sportler*innen häufig ein Trainingslager. Weg vom Alltag finden sie optimale Bedingungen vor, um sich auf das zu konzentrieren, was wesentlich ist, was ihnen hilft, das Potenzial ihrer Fähigkeiten auszuschöpfen, an der Technik zu feilen und Automatismen einzuüben, damit Bewegungsabläufe oder taktische Varianten in Fleisch und Blut übergehen. Auch Faktoren wie die richtige Ernährung, körperliche Fitness, ein vernünftiger Lebenswandel, seelisches Gleichgewicht und menschliche Reifung gilt es zu beachten, denn entscheidend für jedes Voranschreiten ist der Einklang von Körper, Geist und Seele.
Um besser zu werden – ganz gleich ob im Sport oder in anderen Bereichen des Lebens –, braucht es die Bereitschaft, mich selbst zu überwinden, Entbehrungen auf mich zu nehmen, die Komfortzone zu verlassen und mich an meine Grenzen heranzutasten. Dabei mache ich die Erfahrung, was mir hilft, mich weiterzuentwickeln, und was mich daran hindert, was mich bremst und blockiert.
Als Christen durchschreiten wir jedes Jahr auf dem Weg zum Osterfest die 40 Tage der Fastenzeit. Sie ist wie ein spirituelles Trainingscamp, ein Anstoß dazu, dass wir unsere Lebensweise auf die Wirklichkeit der Auferstehung ausrichten, dass wir der Kraft der Verwandlung trauen, die Gott uns in die Seele gepflanzt hat. Diese Kraft hilft uns, Verkrustungen aufzubrechen, unsere Trägheit zu überwinden, sie lässt Abgestorbenes lebendig werden.
Fasten bedeutet natürlich, sich einzuschränken und bewusst auf etwas zu verzichten. Ich faste aber nicht, um Gebote zu erfüllen, sondern um in mir selbst eine heilsame Veränderung herbeizuführen, um falsche Abhängigkeiten zu erkennen und abzuschütteln, um eine größere innere Freiheit zu erlangen, in meinem ganzen Menschsein zu wachsen und dem göttlichen Leben in mir mehr Raum zu geben. Lassen Sie sich auf das Experiment ein, in den kommenden Wochen mit ein paar ganz konkreten Schritten – gleichsam als spirituellen Trainingsplan – dieses Mehr an Lebendigkeit einzuüben!
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
Vor ein paar Tagen noch hätte das kaum jemand für vorstellbar gehalten. Zum einen, dass im Europa des 21. Jahrhunderts ein militärischer Angriff auf einen autonomen, demokratisch legitimierten Staat zur brutalen Realität wird. Zum anderen überrascht mich auch, mit welcher Geschlossenheit die internationale Staatengemeinschaft darauf reagiert, wie schnell und weitreichend Sanktionen gegen den Aggressor verhängt wurden und wie groß die Solidaritätsbekundungen für das ukrainische Volk sind.
Auch die Sportwelt hat erfreulich deutliche Konsequenzen gezogen: Sportveranstaltungen auf russischem Boden wurden abgesagt, russische Mannschaften aus internationalen Bewerben ausgeschlossen, Sponsorenverträge mit russischen Konzernen aufgelöst. Beim Fußball-Bundesligaspiel zwischen Sturm und Hartberg – und bestimmt nicht nur bei diesem – wurde vor dem Ankick eine Gedenkminute für die Leidtragenden des Krieges und für den Frieden gehalten. Angesichts dieser sinnlosen Gewalt wird die wichtigste Nebensache der Welt tatsächlich zur Nebensächlichkeit.
Ich finde solche klaren Positionierungen ermutigend. Immerhin war es nicht immer so. Viel zu oft hat sich der Sport für die Propaganda autokratischer Regime instrumentalisieren lassen. Er darf Diktatoren, Kriegsherren und menschenrechtsverletzenden Systemen keine Bühne für deren Selbstdarstellung bieten. Ich würde es aber begrüßen, wenn einzelne russische Sportler, sofern sie sich glaubhaft von Putins Kriegstreiben distanzieren, weiterhin am internationalen Sportgeschehen teilhaben könnten. Denn Bilder wie jenes der Umarmung eines ukrainischen und eines russischen Freestylers bei den Olympischen Spielen in Peking können – sofern sie möglich sind – schöne Signale der Versöhnung sein. Sie unterstreichen, was Sport auch sein kann, nämlich ein Friedensprojekt und eine Plattform der Völkerverständigung. Ich wünsche mir viele solche respektvollen und verbindenden Gesten zwischen Sportlerinnen und Sportlern.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
Anna Gasser hat in Peking nicht nur durch ihren legendären Goldsprung – als erste Snowboarderin hat sie in einem Wettbewerb den „Cab Double Cork 1260“ gezeigt – für Furore gesorgt, auch die Jubelszenen danach, die überschwängliche Begeisterung, mit der ihre Konkurrentinnen sie umarmt haben, hinterließen tiefen Eindruck.
„Das war mein Lieblingsmoment vom ganzen Tag“, sagt die Doppelolympiasiegerin im Rückblick und fügt hinzu: „Das ist das Besondere bei unserem Sport, dass man sich mit den anderen mitfreut.“ Sogar für IOC-Präsident Thomas Bach war das ein unvergesslicher Moment, ein „herausragendes Beispiel für den olympischen Geist“.
Tatsächlich hat die Community der Snowboarder*innen einen etwas anderen Zugang zum Sport. Da zählt das Miteinander mehr als das Gegeneinander und das Erlebnis mehr als das Ergebnis. Die Freude darüber, dass jemandem etwas Außergewöhnliches gelingt, überstrahlt bei weitem den Ärger, besiegt worden zu sein. Das verleiht dieser Sportart einen besonderen Charme, denn es ist nicht überall so. Ich denke da etwa an den Schi-Abfahrtslauf der Damen, wo die große Favoritin Sofia Goggia beleidigt den Platz der Führenden räumte, nachdem Corinne Suter ihre Bestzeit unterboten hatte. Snowboarden unterscheidet sich vom Schifahren nicht bloß durch das Sportgerät, sondern durch eine andere Philosophie. Es steht für einen Paradigmenwechsel: Nicht Konkurrenz, sondern Gemeinschaft steht im Vordergrund.
So gesehen passt der Snowboard-Sport ganz gut zu Olympia, er stärkt die Idee, die dieser Veranstaltung zugrunde liegt. Immerhin nennt sie sich ja „Olympische Spiele“ und nicht „Olympische Wettkämpfe“. Trotz aller wirtschaftlicher Interessen, politischer Vereinnahmungsversuche und des Prestiges eines Medaillengewinns darf das spielerische Moment nicht zu kurz kommen, das seinem Wesen nach zum Sport gehört. Und Spielen ist zweckfreies Tun um seiner selbst willen, aus Freude am Erleben des Augenblicks. Solange das Spiel im Vordergrund steht, der Respekt und die Freundschaft unter den Sportler*innen, können die Olympischen Spiele auch den ihnen zugedachten Beitrag zum Frieden und zur Völkerverbindung leisten. Da ist es auch möglich, dass – wie es beim Freestyle-Springen der Fall war – zwei Sportler aus der Ukraine und aus Russland gemeinsam am Podest stehen und einander umarmen. Das ist in Tagen wie diesen zumindest ein vielsagendes Symbol.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
Große Sportgeschichten sind bei diesen Olympischen Spielen schon geschrieben worden. Am schönsten aber sind die menschlichen Geschichten. So wie jene des Johannes Strolz, der den Medaillentraum seines Vaters Hubert wiederholte.
Mit Attributen wie „unglaublich“, „unfassbar“ und „fast schon kitschig“ wurden die Erfolge des Vorarlbergers kommentiert. Und Johannes Strolz selbst? Er empfindet zuallererst einmal tiefe Dankbarkeit. Das auffälligste Merkmal an dem 29-Jährigen ist seine Bescheidenheit, die Bodenhaftung, die er nicht nur auf der Piste und zwischen den Toren, sondern auch im Leben gefunden hat.
„Es sind die Geschichten, die dahinter stehen, die Medaillengewinne so emotional machen“, sagte ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober. Und die Geschichte hinter Johannes Strolz ist alles andere als eine Bilderbuchkarriere. Lange fuhr er großen Erfolgen hinterher, wurde schon abgeschrieben und stand vor dem Aus. Doch er glaubte an sich, wollte es noch einmal wissen, nahm das Training selbst in die Hand und stellte sich selbst zum Wachseln und Kantenschleifen in den Schikeller. Er hat es buchstäglich gelernt, „seine Sachen beisammen“ zu haben und auf den eigenen Beinen zu stehen. Darin liegt wohl das Geheimnis seiner Unerschütterlichkeit.
Die Umwege des Lebens haben sich hier als gold-richtig erwiesen. Und wir haben auch andere Beispiele erlebt, dass Medaillen von Sportler*innen, die – wie Mirjam Puchner – nach langwierigen Verletzungen oder – wie Michelle Gisin – nach Krankheiten zurückgekommen sind, einen ganz besonderen Glanz haben. In ihnen bündelt sich eine wichtige Erfahrung: Es geschieht nicht immer das, was wir uns wünschen, aber sehr oft passiert genau das, was wir brauchen, was uns weiterhilft auf unserem Weg und uns als Menschen stärker macht. Der Apostel Paulus sagt: „Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen.“ (Röm 5,3–5)
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
Drei Goldene und eine Bronzene. Mit seiner vierten Olympiamedaille hat sich Matthias Mayer – wie man gerne sagt – unsterblich gemacht. Es ist ein „Sieg für die Ewigkeit“. Damit hat der Kärntner sogar den Schi-Gott Toni Sailer übertroffen. Es fällt auf, dass beim Versuch, ganz besondere Momente und herausragende Leistungen im Sport in Worte zu fassen, häufig auf religiöse Begriffe und Bilder zurückgegriffen wird. Das kommt nicht von ungefähr, denn das sind Ereignisse, die die Grenzen des menschlich Fassbaren und Erklärbaren berühren und für Augenblicke sogar darüber hinausreichen. Sie sind – theologisch gesprochen – Transzendenzerfahrungen, ein Eintauchen in göttliche Sphären, in den Bereich des Heiligen.
Diese Grenzüberschreitung kann sich in einer körperlichen Kraftexplosion ereignen, in der jemand über seine physischen Möglichkeiten hinauswächst. Von einer Nahtoderfahrung sprach etwa der nordische Kombinierer Lukas Greiderer nach einem unglaublichen Fight in der Loipe. Oder sie kann in einem Augenblick der Genialität und des perfekten Gelingens eintreten, in dem sich die Gesetze der Physik und der Schwerkraft aufzulösen beginnen. So wie es bei der Linie, die Matthias Mayer im Super-G bei der Einfahrt in den Canyon gefunden hat, zu erahnen war. Da werden die Grenzen des Machbaren überschritten, es ist ein Geschenk, ein Moment der Gnade, wenn man so will, das Hereinbrechen des Göttlichen in unser Tun.
Viele Sportler*innen machen die Erfahrung – wie aktuell Mikaela Shiffrin: Wenn sie einen Erfolg unbedingt erzwingen wollen, geht es schief. Es braucht die Fähigkeit, es einfach „passieren“ zu lassen, die Fähigkeit, ganz im Moment zu sein und geistes-gegenwärtig zu sein – also: sich vom Geist inspirieren und leiten zu lassen, ganz intuitiv zu handeln. Wem das gelingt, der oder die kann Unglaubliches vollbringen. Dabei entstehen Momente für die Ewigkeit. Denn es ist das Sein in der Gegenwart, das uns mit der Ewigkeit in Berührung bringt – und mit Gott, der immer gegenwärtig ist.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
5. Februar 1976. Franz Klammer steht im Starthaus zur Olympiaabfahrt am Patscherkofel. Es wird ganz ruhig um ihn herum. Der Druck, der auf den Schultern des 22-jährigen Kärntners lastet, ist enorm. Ganz Österreich erwartet von ihm die Goldmedaille. Sehr eindrucksvoll baut der Film „Klammer – Chasing The Line“ den Spannungsbogen auf diesen entscheidenden Moment hin auf und legt Klammer, bevor er ins Tal rast, als letzten Gedanken in den Kopf: „Nit hoffen, nit wollen – wissen!“ Der Rest ist 1:45,73 Minuten später Schigeschichte.
Das ist 46 Jahre her, aber noch immer Inspiration. Ganz bei sich selbst zu sein, auf seine innere Stimme und die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, gegen alle Einflüsterer und Besserwisser seiner Linie treu zu bleiben und sich nicht verbiegen zu lassen, das erweist sich nicht nur als Schlüssel zu sportlichen Erfolgen, sondern auch zu einem erfüllenden Leben. Oft spüre ich in mir ganz deutlich, was für mich stimmig und richtig ist, bringe aber nicht die Kraft auf, aus vorgegebenen Spuren auszubrechen, in mich gesetzte Erwartungen abzuschütteln, vermeintliche Sicherheiten loszulassen und mich in unbekanntes Terrain vorzuwagen. Aber ebenso habe ich erlebt: Wenn ich die feste Gewissheit gefunden habe, was mein ureigenster Weg ist, und den Mut aufbringe, diesem Wissen zu trauen, dann tun sich ganz neue Türen auf und es werden ungeahnte Kräfte frei.
Österreichs Fahnenträgerin in Peking, die Snowboarderin Julia Dujmovits, sagte jüngst in der Kleinen Zeitung: „Wenn ich mich in ein System hineindrängen lasse, verliere ich Energie.“ Seit sie aber gelernt habe, auf ihr Herz zu hören, mache sie nur noch Dinge, die sie begeistern. Und Begeisterung strahlt aus, sie wirkt entfesselnd. Zu meiner Priesterweihe habe ich den Psalmvers als Motto gewählt: „Mit meinem Gott überspringe ich Mauern.“ (Ps 18,30) Jesus sagt: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier nach dort! und er wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich sein.“ (Mt 17,20) Ein Glaube so groß wie ein Senfkorn reicht aus, um nicht zu hoffen, sondern zu wissen und Unmögliches zu vollbringen. Wie ein Senfkorn – das sollte doch schaffbar sein.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
Wenn in wenigen Tagen die olympischen Delegationen aus aller Welt nach Peking anreisen, werden sie in eine große Bubble eintauchen – oder genauer gesagt in viele kleinere, um nicht mit der Bevölkerung in Berührung zu kommen und untereinander nicht mehr als unbedingt nötig. Begründet wird dies – verständlicher Weise – als Schutzmaßnahme, damit Olympia nicht zu einem gigantischen Pandemie-Hotspot wird.
Ich werde aber den Verdacht nicht los, dass die Omikron-Welle den chinesischen Veranstaltern ganz gut in die Karten spielt und ihnen diese Blasenbildung auch aus anderen Gründen gelegen kommt. So kann ja gleich elegant unterbunden werden, dass die Sportwelt etwas von Menschenrechtsverletzungen im Land mitbekommt, und mögliche Protestkundgebungen oder Solidaritätsbezeugungen werden im Keim erstickt.
Es gibt mir doch zu denken, wenn sportliche Großevents gehäuft in Staaten mit totalitären Regimen abgehalten werden, die sie zur Imagepolitur und Selbstdarstellung benutzen. Dies gesellt sich zu der Tatsache, dass Sportverbände wie das IOC oder die FIFA selbst kaum ernsthafte demokratische Strukturen entwickelt haben, was sie anfällig macht für Intransparenz und Bestechlichkeit. Da liegt Vieles im Dunkeln.
Der Apostel Paulus sagt: „Lebt als Kinder des Lichts! Denn das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor. … Habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis, … deckt sie vielmehr auf!“ (Eph 5,8-11) Es ermutigt mich, dass gegenwärtig viele solche Bubbles der Korruption, der Vertuschung und des Missbrauchs aufpoppen und „Werke der Finsternis“ ans Licht kommen – sei es im Sport, in Politik und Gesellschaft, oder auch in meiner Kirche, wo dies gerade in München oder durch das Coming-Out vieler queerer Mitarbeitenden geschieht. Gott sei Dank! Sich der Wahrheit zu stellen ist schmerzhaft, aber es befreit aus der Blase und führt zum Licht.
Sollte dieser Blog nach wenigen Tagen aus dem Netz verschwunden sein, betrachten Sie es als Indiz dafür, dass mein Verdacht nicht gänzlich haltlos war!
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark
„Ich bin heute nicht bereit dafür.“ Nicole Schmidhofer stand quasi schon am Start zum Abfahrtstraining in Zauchensee, als sie spürte, dass sie sich nach ihrer schweren Verletzung im Vorjahr die Belastung dieser Strecke noch nicht wirklich zutraut, und nicht nur dieses Rennen, sondern auch die Chance zu einer Olympiateilnahme sausen ließ. Ich habe größten Respekt vor dieser Entscheidung, die alles andere als Feigheit ist. Sich selbst und anderen die eigene Schwachheit einzugestehen, dazu braucht es wahrscheinlich noch mehr Mut als dazu, sich eine Abfahrtspiste hinunterzustürzen.
Im Spitzensport kann von dieser Fähigkeit das Überleben abhängen. Aber auch für uns „Normalsterbliche“ ist Mut zur Schwachheit viel öfter angesagt als wir glauben. Meine Erfahrung ist die, dass das Bauchgefühl meistens ganz richtig liegt. Wie oft kommt es vor, dass wir tief im Innersten sehr schnell spüren, wenn etwas nicht richtig läuft, wenn wir auf unserem Lebensweg in eine falsche Richtung abgebogen sind, wenn sich innere Widerstände aufbauen, wenn Sand im Getriebe ist?
Mich wundert es oft, wie lange es dauern kann, bis ich fähig bin, mir einzugestehen, dass ein Weg, den ich einmal eingeschlagen habe, sich als Sackgasse erweist, dass er sich falsch anfühlt und mich von meinen Lebenszielen oder meiner Berufung immer weiter wegführt, dass er meine Lebenskräfte blockiert, statt mich zu beflügeln. Und noch viel länger braucht es, bis ich endlich den Mut aufbringe, von dem falschen Weg abzurücken, umzukehren oder neu zu beginnen. Viele sind ihr ganzes Leben lang nicht dazu in der Lage und leben so an ihrem eigenen Wesen vorbei. Deshalb: Mut zur Schwachheit! Niemand muss alles können. Letztlich ist der Mut zur Schwachheit wohl für uns alle eine Überlebensfrage bzw. eine Lebensfrage.
Alfred Jokesch, Sportseelsorger DSG Steiermark